Donnerstag, 22. November 2012

Tun oder Sein


Die Leute brauchten nicht soviel nachzudenken, was sie tun sollen, sondern sie sollten nachdenken, was sie seien. Wären nun die Leute gut und auch ihre Weise zu leben, so könnten ihre Werke sehr leuchten. Bist du gerecht, so sind auch deine Werke gerecht.
Nicht gedenke Heiligkeit zu gründen auf ein Tun; Heiligkeit soll man gründen auf ein Sein, denn die Werke heiligen nicht uns, sondern wir sollen die Werke heiligen.
Wie [angeblich] heilig auch die Werke immer sein mögen, so heiligen uns nicht, da sie eben Werke sind. Mehr noch: Sofern wir sind und am Sein teilhaben, in dem Maße heiligen wir alle unsere Werke, es sei Essen, Schlafen, Wachen oder was es sonst sei. 
Die aber nicht am großen Sein teilhaben, welche Werke sie auch wirken mögen, aus denen wird nichts. So merke hier, dass man allen Fleiß darauf setzen soll, dass man gut sei; und nicht so sehr, was man tue oder von welcher Art die Werke sind, sondern wie der Grund der Werke ist.


Meister Eckhart

aus: Meister Eckhart, Vom Adel der menschlichen Seele, Anaconda Verlag S. 38


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