Mittwoch, 29. Februar 2012

Die lebendige Liebesflamme

O Flamme von Liebe lebendig, 
die du zärtlich verwundest 
meine Seele in tiefster Mitte! 
Da du nicht mehr quälend bist,
komm schon ans End’, wenn’s dir gefällt; 
zerreiß den Schleier zur süßen Begegnung!

O Brenneisen zärtlich! 
O Wunde wonnetrunken! 
O milde Hand, o zartkosende Berührung, 
die schmeckt nach ewigem Leben 
und alle Schuld begleicht! 
Tötend hast Tod du in Leben getauscht.

O Leuchten von Feuer, 
in deren Strahlen 
die tiefen Höhlen des Sinnes, 
der dunkel und blind war, 
mit wundersamen Aufgipfelungen 
Wärme und Licht zugleich ihrem Liebsten spenden!

Wie sanft und liebkosend 
erwachst du in meinem Schoß, 
wo du allein insgeheim wohnest! 
Und in deinem köstlichen Hauch, 
von Gutem und Herrlichkeit voll, 
wie zartkosend machst du mich verliebt!

Montag, 27. Februar 2012

Nichts ist vollkommener als die Liebe

"Nichts ist süßer, nichts mächtiger, nichts erhabener, nichts umfassender, nichts erfreulicher, nichts vollkommener, nichts besser im Himmel und auf Erden als die Liebe; denn die Liebe ist aus Gott geboren und kann, über alles Erschaffene sich erhebend, nur in Gott ruhen." 


Thomas von Kempen

Freitag, 24. Februar 2012

Gott kann unser so wenig entbehren wie wir seiner

Seht, so liebkost uns Gott, so fleht uns Gott an und Gott kann nicht warten[,...]und es ist eine sichere und eine notwendige Wahrheit, dass es Gott so Not tut, uns zu suchen, als ob all seine Gottheit daran hänge, wie es auch der Fall ist.
Gott kann unser so wenig entbehren wie wir seiner, und könnte es auch sein, dass wir uns von Gott abwenden könnten, so könnte sich doch Gott nimmer von uns abwenden. Ich sage, ich will Gott nicht bitten, dass er mir gebe, ich will ihn auch nicht loben für das, was er mir gegeben hat, sondern ich will ihn bitten, dass er mich würdig mache zu empfangen, und will ihn loben, dass er die Natur und das Wesen hat, dass er geben muss. Wer das Gott nehmen wollte, der nähme ihm sein eigenes Wesen und sein eigenes Leben. 

Meister Eckart

aus Meister Eckarts Mystische Schriften, hrsg. von Gustav Landauer, 1903
http://www.marschler.at/eckhart-landauer/meister-eckhart-mystische-schriften.pdf

Dienstag, 21. Februar 2012

Ihr seid das Salz der Erde


Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten. 
Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. 
Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind.  So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.


Matthäus, 5, 13-16



Sonntag, 19. Februar 2012

Die edle Kraft, die über der Zeit und da ohne Raum steht


Die Meister sagen, die Seele habe zwei Gesichter, und das obere Gesicht schauet allezeit Gott, und das niedere Gesicht blickt etwas herab und das berichtet die Sinne, und das oberste Gesicht ist das oberste der Seele, das steht in der Ewigkeit und hat nichts mit der Zeit zu schaffen und weiß nichts von der Zeit und vom Leibe. Und ich habe manchmal gesagt, dass darin etwas verborgen liege wie ein Ursprung alles Guten und wie ein leuchtendes Licht, das allezeit leuchtet, und wie ein brennender Brand, der allezeit brennt 

O wie edel ist die Kraft, die da über der Zeit steht und die da ohne Raum steht! Denn damit, dass sie über der Zeit steht, hat sie alle Zeit in sich geschlossen und ist alle Zeit, und wie wenig einer auch von dem hätte, was über der Zeit steht, der wäre gar bald reich geworden, denn was jenseits des Meeres ist, ist der Kraft nicht ferner, als was jetzt gegenwärtig ist. 


Meister Eckart


aus Meister Eckarts Mystische Schriften, hrsg. von Gustav Landauer, 1903
http://www.marschler.at/eckhart-landauer/meister-eckhart-mystische-schriften.pdf



Von der Vollendung der Zeit

Sankt Paulus spricht: „In der Vollendung der Zeit sandte Gott seinen Sohn.“ Sankt Augustin ward gefragt, was das sei, die Vollendung der Zeit? Vollendung der Zeit ist, wenn der Tag nicht mehr ist: dann ist der Tag vollendet. Es ist eine sichere Wahrheit, wo diese Geburt geschehen soll, da muss alle Zeit hinab sein, denn es gibt nichts, was diese Geburt so sehr hindert, als Zeit und Kreatur. Es ist eine notwendige Wahrheit, dass die Zeit an Gott und die Seele nicht rühren kann. Könnte Zeit an die Seele rühren, so wäre sie nicht Seele. Könnte Gott von der Zeit berührt werden, so wäre er nicht Gott.
Eine andere Vollendung der Zeit! Wer die Kunst und die Macht hätte, dass er die Zeit und alles, was in sechstausend Jahren je geschah oder noch geschehen wird bis an das Ende der Welt: wenn einer das heranziehen könnte in ein gegenwärtiges Nu, das wäre Vollendung der Zeit. Das ist das Nu der Ewigkeit, wo die Seele alle Dinge in Gott erkennt, so neu und so frisch und in derselben Lust, wie ich sie jetzt gegenwärtig habe. Die mindeste Kraft in meiner Seele ist weiter als der weite Himmel. Ich sehe ab von der Vernunft, in der ist Weite über Weite, in der bin ich so nahe dem Ort, der tausend Meilen weg ist, als dem Ort, worin ich jetzt stehe. Die Meister sagen, die Menge der Engel sei ohne Zahl, ihre Zahl könne nicht begriffen werden. Wer aber ohne Zahl und ohne Menge unterscheiden könnte, dem wäre hundert wie eins.
Wären gleich hundert Personen in der Gottheit, so erkennte er doch, dass nur ein Gott ist. Dass Gott in uns geboren werde, das walte Gott. 
Meister Eckart

aus Meister Eckarts Mystische Schriften, hrsg. von Gustav Landauer, 1903
http://www.marschler.at/eckhart-landauer/meister-eckhart-mystische-schriften.pdf

Samstag, 11. Februar 2012

Ich suche Deine Gesellschaft, mein Gott



 Es gibt Menschen,

 die Wahrheit suchen,

 und es gibt Menschen,

 die Reichtum suchen.

 Ich suche Deine Gesellschaft,

 mein Gott, damit ich singen kann.


 Rabindranath Tagore 

Freitag, 10. Februar 2012

Die heilige Liebe, die Tugend der Tugenden


Die wahre Tugend kennt keine Grenzen; immer schreitet sie weiter; zumal die heilige Liebe, die Tugend der Tugenden, die bis ins Unendliche wachsen könnte, fände sie anders ein Herz, das der Unendlichkeit fähig wäre, da nichts die Liebe hindert unendlich zu sein, als die Beschränktheit des Willens, der sie auffasst und mit ihr wirkt; und da wegen der Beschränktheit des Geistes niemand vermögend ist, Gott in seiner ganzen Unendlichkeit zu schauen, so vermag es auch niemand, ihn nach seiner ganzen Liebenswürdigkeit zu lieben. 

Franz von Sales

Quelle:http://www.deutsche-liebeslyrik.de/manuskript/manuskript52/manuskript52_7.htm

Donnerstag, 9. Februar 2012

Es gibt eine Kraft in der Seele, in der Gott grünt und blüht

Es gibt eine Kraft in der Seele, die berührt weder Zeit noch Fleisch. Sie fließt heraus aus dem Geist, sie bleibt im Geist und ist durch und  durch geisterfüllt.
In dieser Kraft grünt und blüht Gott in all der Freude und Ehre, wie er in sich selber ist. Da ist  nun so herzliche Freude und so unbegreiflich große Freude, dass niemand sie angemessen beschreiben kann. Denn der ewige Vater gebiert seinen ewigen Sohn in dieser  Kraft ohne Unterlass, so dass diese Kraft den Sohn des Vaters mitgebiert, sich selber als denselben Sohn in der einigen Kraft des Vaters.

Meister Eckhart

(aus Meister Eckhart, Vom Adel der menschlichen Seele, Anaconda Verlag)

Mittwoch, 8. Februar 2012

Du bist der Schreiber und die Schrift bist du

Du bist der Schreiber und die Schrift bist du,
    Tint' und Papier und Schreibestift bist du.
Du bist die Sternenschrift am Himmel dort,
    Im Herzen hier die Liebeschrift bist du.
Das Blatt, das treibt, das ausgetriebne Lamm,
    Der Trieb, der Treiber und die Trift bist du.
Du bist die Ruh', die Unruh' bist du auch,
    Das Gift und auch das Gegengift bist du.
Du Ebb' und Flut, Windstill' und Sturm und Meer,
    Schiffbruch und Schiff, und der drin schifft, bist du.
Was kann ich treffen? was kann treffen mich?
    Was trifft der Sinn, und was ihn trifft, bist du.


Dschalal-ad-Din ar-Rumi
(aus den Ghaselen)

in der Nachdichtung von Friedrich Rückert

Der Himmel ist die Erkenntnis des Einsseins

Der Himmel ist weder ein Ort noch ein Zustand. Er ist nur ein Gewahrsein vollkommenen Einsseins und die Erkenntnis, dass es sonst nichts gibt, nichts außerhalb dieses Einsseins und nichts anderes darin.

Kurs in WundernText 18.VI.1: 5-6

Freitag, 3. Februar 2012

Ein Grenzland des Denkens



Es gibt ein  Grenzland des Denkens, das zwischen dieser Welt und dem Himmel steht. Es ist kein Ort, und wenn du es erreichst, so ist es unabhängig von der Zeit. Hier ist die Stätte der Begegnung, in der Gedanken zusammengebracht werden, wo miteinander in Konflikt stehende Werte aufeinandertreffen und alle Illusionen neben die Wahrheit niedergelegt und als unwahr beurteilt werden. Dieses Grenzland liegt gerade jenseits von der Himmelspforte. Hier wird jeder Gedanke rein gemacht und gänzlich einfach. Hier wird die Sünde geleugnet und anstelle ihrer alles das, was ist, empfangen.

Kurs in Wundern, Text 26.III ,2

Jenseits der Vorstellungen von Richtig und Falsch


Draußen, jenseits der Vorstellungen von Richtig und Falsch, liegt ein Feld. Dort werde ich mit dir zusammentreffen. Wenn die Seele sich in jenes Grasland niederlässt, ist die Welt zu sehr erfüllt, um darüber zu reden. Vorstellungen, Sprache, selbst der Ausdruck "der Andere", ergeben keinen Sinn mehr.

Dschalal-ad-Din ar-Rumi


Mittwoch, 1. Februar 2012

Geben in Liebe heißt nie verlieren

Geben in Liebe heißt nie verlieren;
und wie man Liebe nicht schenken könnte,
wenn man sie nicht hätte,
so hat man sie erst, wenn man sie schenkt.
Die Liebe allein versteht das Geheimnis,
andere zu beschenken 
und dabei selbst reich zu werden.

Augustinus von Hippo
Aus den "Bekenntnissen"

Haben beruht auf Geben, nicht auf Bekommen

Damit du hast, gib allen alles


Kurs in Wundern
Text 6,IV, A - C6