Der Freund
begegnete seinem Geliebten und sah ihn sehr edel, mächtig und aller
Ehren würdig. Und er sagte zu ihm, er wundere sich sehr über die Leute, die ihn sowenig
liebten, kannten und ehrten, da er dessen doch so würdig sei. Und der Geliebte
antwortete und sprach, er sei sehr enttäuscht worden vom Menschen, den er erschaffen habe, um von ihm geliebt, gekannt und geehrt zu werden. Und von
tausend Menschen fürchteten und liebten ihn nur hundert; und von den hundert
fürchteten ihn neunzig aus Furcht vor Strafe, und zehn liebten ihn, damit er
ihnen ewigen Lohn schenke. Kaum einer liebe ihn, weil er gut und edel sei. Als
der Freund diese Worte hörte, weinte er bitterlich, weil man seinem Geliebten
die Ehre verweigerte, und sagte: Geliebter, der du dem Menschen soviel gegeben
und ihn so geehrt hast, warum hat dich der Mensch so vergessen?
Ramon Llull
(Das Buch vom Freund und vom Geliebten, Abschnitt 211)
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