Donnerstag, 26. Juli 2012

Denn allein auf Gott soll der Mensch bauen


Nur darum gestattet der getreue Gott, dass seine Freunde oft in Schwachheit fallen, damit ihnen aller (äußerer) Halt abgehe, an den sie sich anlehnen oder auf den sie sich stützen könnten. Denn für einen liebenden Menschen wäre es eine große Freude, viele und große Dinge zu vollbringen, es sei im Wachen, im Fasten oder in anderen Dingen, in außerordentlichen großen und schwierigen Leistungen...
Doch unsere Werke dienen nicht dazu, dass uns Gott (immer noch) gebe oder tue. Unser Herr will vielmehr, dass seine Freunde davon loskommen. Und darum nimmt er ihnen diesen (falschen) Halt weg, damit allein er ihr einziger Halt sei. Denn er will ihnen Großes geben. Das will er allein aus seiner freien Güte heraus. So soll (allein) er ihr Halt und ihr Trost sein. Sie aber sollen an sich nichts anderes denn ein lauteres Nichts finden und erachten, angesichts all der großen Gaben Gottes.
Denn je entblößter und lediger das Gemüt Gott zuneigt und von ihm dann gehalten wird, desto tiefer wird der Mensch in Gott hineingepflanzt, um so empfänglicher wird er für die wertvollsten Gaben Gottes. Denn allein auf Gott soll der Mensch bauen.

Meister Eckhart


aus Vom Adel der menschlichen Seele, Anaconda Verlag, S. 60

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