Sonntag, 26. Mai 2013

Die Liebe ist der Maßstab des Wertes aller Tugenden



Der Wert des Goldes ist der Maßstab für den Wert aller andern Metalle. 
So ist auch die Liebe der Maßstab des Wertes aller Tugenden: 
so viel Liebe in ihnen ist, so viel Wert haben sie. 
Die Wirksamkeit der Wärme, ohne die nichts lebt, stammt aus dem Feuer,
 das alles durchdringt und in sich umgestaltet. 
Was wir sehen, ist nicht reines Feuer, wohl aber feuerhaltig. 
So ist auch die Liebe an sich unbemerkbar, 
aber sie liegt allen Tugenden zugrunde, 
welche sie umgestaltet, reinigt und erneuert. 
Die Liebe ist wie der Stein des Gyges, der den Menschen unsichtbar macht; denn die Liebe deckt das Schmutzige und Nackte zu, sie deckt eine Menge Sünden zu, so dass kein Flecken sich zeigt. Die schwarze Kohle und das schwarze Eisen sind im Feuer nicht schwarz, sondern leuchtend; nur getrennt vom Feuer sind sie wieder schwarz. Schon die Liebe dieser Welt deckt die Mängel zu, denn der Liebende sieht die Mängel des geliebten Gegenstandes nicht, solange er liebt. 


Nikolaus von Kues



Text  in der  Übersetzung von Franz Anton Scharpff 

Freiburg in Breisgau, 1862 (S. 496-497)


 

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