Montag, 4. Februar 2013

Wo Gegensätze zusammenfallen, dort bist du, mein Gott.


  …. ich muss in die Dunkelheit eintreten und den Zusammenfall der Gegensätze über alle Fassungsvermögen des Verstandes hinaus zugestehen und die Wahrheit dort suchen, wo mir die Unmöglichkeit entgegentritt.  ... 
Und je mehr diese finstere Unmöglichkeit als verborgen und unmöglich erkannt wird, desto wahrer strahlt die Notwendigkeit, [die du, mein Gott, bist] wider und desto weniger verhüllt ist sie zugegen und nähert sich. Darum danke ich Dir, mein Gott, der Du mir offenbarst, dass es keinen anderen Weg gibt, um zu Dir zu gelangen, als jenen, welcher allen Menschen, sogar den gelehrtesten Philosophen völlig unersteigbar und unmöglich erscheint. Du hast mir ja gezeigt, dass Du nirgends anders zu sehen bist als dort, wo uns die Unmöglichkeit entgegentritt und uns den Weg verstellt.
   Du, Herr, Speise der Starken, hast mir den Mut gegeben,  mir selbst Gewalt zu tun, weil die Unmöglichkeit mit der Notwendigkeit zusammenfällt. Ich habe den Ort gefunden, in dem man Dich unverhüllt zu finden vermag. Er ist umgeben von dem Zusammenfall der Gegensätze. Dieser ist die Mauer des Paradieses, in dem Du wohnst. Sein Tor bewacht höchster Verstandesgeist. Überwindet man ihn nicht, so öffnet sich nicht der Eingang. Jenseits des Zusammenfalls der Gegensätze vermag man Dich zu sehen; diesseits aber nicht. Wenn also in Deinem Blick, o Herr, die Unmöglichkeit die Notwendigkeit ist, dann gibt es nichts, das Dein Blick nicht sähe. 


Nikolaus von Kues

Aus: Vom Sehen Gottes (De visione Dei), Kap. 3 (Alle Aussagen über Gott sind in Wirklichkeit voneinander nicht verschieden)


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