Montag, 15. April 2013

Wir sind ein Nichts, auf das sich ein Alles projiziert.

    Wir sind Ebenbilder Gottes, Kunstwerke. Unser innerstes Geheimnis, unsere letzte Daseinsberechtigung ist, dass wir nicht nur wir selbst, sondern Ebenbilder sind. Der Sinn unseres Lebens ist nicht, wir selbst sein, sondern Kopien, Fotos eines anderen. Nur wenn dieser Andere durch uns hindurchscheint, sind wir wir selbst. Wir sind wie eine weiße Leinwand, auf der sich Gott projiziert. Nehmen wir den Film weg, bleibt nichts übrig.
   Diese Dualität ist das Geheimnis des Menschen: wir sind alles, und zur gleichen Zeit sind wir nichts. Wir sind ein Nichts, auf das sich ein Alles projiziert. Wir können aber willentlich dieses Alles auslöschen. Eine sündige Seele ist dann das Nichts.
    Einerseits sind wir Kinder des Nichts, und andererseits sind wir Kinder Gottes, weil Gott uns aus dem Nichts erschuf. Das Nichts und Gott, das ist die Dualität des Menschen.
   Wir sind aus dem Schoße Gottes hervorgegangen, in dem wir die ganze Ewigkeit hindurch ein Teil Gottes waren. Und nie werden wir Frieden finden, ehe wir nicht zu Gott zurückkehren.

     Inzwischen leben wir im Exil. 
   

Ernesto Cardenal

(Das Buch von der Liebe, Peter Hammer Verlag, S. 113)

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