Freitag, 24. Februar 2012

Gott kann unser so wenig entbehren wie wir seiner

Seht, so liebkost uns Gott, so fleht uns Gott an und Gott kann nicht warten[,...]und es ist eine sichere und eine notwendige Wahrheit, dass es Gott so Not tut, uns zu suchen, als ob all seine Gottheit daran hänge, wie es auch der Fall ist.
Gott kann unser so wenig entbehren wie wir seiner, und könnte es auch sein, dass wir uns von Gott abwenden könnten, so könnte sich doch Gott nimmer von uns abwenden. Ich sage, ich will Gott nicht bitten, dass er mir gebe, ich will ihn auch nicht loben für das, was er mir gegeben hat, sondern ich will ihn bitten, dass er mich würdig mache zu empfangen, und will ihn loben, dass er die Natur und das Wesen hat, dass er geben muss. Wer das Gott nehmen wollte, der nähme ihm sein eigenes Wesen und sein eigenes Leben. 

Meister Eckart

aus Meister Eckarts Mystische Schriften, hrsg. von Gustav Landauer, 1903
http://www.marschler.at/eckhart-landauer/meister-eckhart-mystische-schriften.pdf